Es gab bei den Vorahnen häufiger die Situation, dass ein Elternteil verstarb und nicht volljährige Kinder hinterließ.
Die Frage ist, wer zieht die Halbweisen auf, wenn der Witwer / die Witwe neu heiraten? Normalerweise denkt man, der verbleibende Elternteil nimmt diese in die neue Ehe mit. Daran gibt es aber durchaus Zweifel. Wenn der neue Lebensmittelpunkt ein anderes Dorf ist, verbleiben die Spuren der Kinder häufig im alten Dorf. Bei Geburten/Hochzeiten/Sterbefällen sind oft nicht die eingeheirateten neuen Eltern Zeugen, sondern Verwandte des Witwers / der Witwe.
Werden die Kinder also eher zu Verwandten gegeben, oder wird das je Situation unterschiedlich gehandhabt?
Antworten aus der Mailingliste von AGOFF (Jan 2023):
vielleicht hilft folgender Hinweis etwas weiter:
früher (in meinem Fall 1813) musste für die minderjährigen Kinder einer Witwe (!!!) ein Vormund gestellt. Meine Vorfahrin hat allerdings nicht wieder geheiratet und war auch nicht in einen anderen Ort gezogen.
Auch heute muss für minderjährige Kinder ein Vormund gestellt werden, wenn diese von dem überlebenden Elternteil und seines neuen Partners adoptiert werden sollen.
Ich kann nur für das ehemalige Großherzogtum Hessen-Darmstadt sprechen, an anderen Orten mag es davon abweichende Regelungen gegeben haben.
Beim Tod einer Person wurde von der Bürgermeisterei als Ortsgerichtsbehörde eine "Sterbfallsanzeige" an das zuständige Amtsgericht gegeben. Sie enthielt u.a. Hinweise auf Vermögen und vorhandene Testamente.
In dieser Anzeige waren auch die Kinder aufgeführt (Alter, Familienstand, Wohnort). Waren diese noch minderjährig, so wurde in einem eigenen Schreiben ein Vormund vorgeschlagen. Der Vormund (Curat) war immer aus der Verwandtschaft der verstorbenen Person. Er wurde eigens vom Amtsgericht vereidigt und hatte ihm jährlich Bericht über den Gesundheitszustand und das Vermögen seiner Mündel (Curanden) zu berichten. Das Amtsgericht führte dazu eine Vormundschaftsakte. Die Unterlagen finden sich im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt unter "Freiwillige Gerichtsbarkeit".
Der Vormund war auch zugegen, wenn das Vermögen der Verstorbenen in einem "Inventarium" schriftlich festgehalten wurde.
In der Gemeinde wurde zudem ein Vormundschaftsregister geführt und Veränderungen (z.B. Tod des Vormunds, Bitte um Entpflichtung) eingetragen.
Standen Kinder kurz vor der Volljährigkeit oder war kein Vermögen vorhanden, konnte auf das Stellen eines Vormundes verzichtet werden.
Ich habe bei Szukaj im Zusammenhang mit Anfragen an die FSt. Posen unter Amtsgerichte und dem Stichwort "Vormundschaft" oder auch nur "Vormund" Akten in einigen mittelpolnischen Staatsarchiven gefunden, leider erinnere ich mich im Moment nicht wo .... (Zitat)
Halbwaisen sind also nicht zwingend bei der neuen Familie untergekommen.