Soldatentum

Es gab in der Sommerfeld-Familie mehrere Soldaten. Siehe dazu die Detailberichte zu Gottfried und Gustav. Auch im ersten und zweiten Weltkrieg haben mehrere Familienvorfahren “gedient”, wobei einige auch gefallen sind oder im Krieg vermisst wurden. An dieser Stelle deshalb ein Überblick, um später das detaillierte Geschehen besser verstehen zu können.

Bis zum ersten Weltkrieg waren Sommerfelds im russischen Teil von Polen (Kujawski-Pomorskie und Lublin) ansässig, deshalb wurde der Militätdienst in der kaiserlich-russischen Armee abgeleistet. Man hat sich selbst versorgt. Ob das immer sauber ohne Diebstahl oder ohne Beschlagnahmung abging, ist sehr zu bezweifeln. Auch die Ausrüstung war miserabel.

Ein Wikipedia-Artikel dazu. Hier Auszüge:

Nach den Napoleonischen Kriegen und der führenden Rolle bei der Niederringung Frankreichs in den sich anschließenden Befreiungskriegen, sahen viele das Russische Reich als stärkste europäische Militär- und Landmacht an. Im frühen 19. Jahrhundert war seine Armee aber immer noch hauptsächlich mit einer Vorderladermuskete (Steinschloss und glatter Lauf) ausgerüstet. Das russische Modell von 1828 verwendete wie sein Vorgänger nach wie vor runde Kugeln und traf ab 200 Meter nicht mehr genau. Die mittlerweile in den Armeen Westeuropas eingesetzten Hinterlader galten in ihrer Handhabung als zu kompliziert und nicht robust genug, außerdem bereiteten sie der russischen Waffenindustrie eine Menge technischer Schwierigkeiten. Die Waffenbeschaffung lag beim Regiment, aber die Offiziere gaben die dafür vorgesehenen Mittel lieber für Essen und vor allem für Trinkgelage aus, die als Männlichkeitsrituale galten. Für die Beschaffer kamen die Reisen zu schmutzigen Staatsarsenalen und weit entfernten Rüstungsbetrieben einer Bestrafung gleich. Ramschverkäufe versuchte der Staat zwar mit der Einsetzung von Waffeninspektoren zu verhindern, dies allerdings mit wenig Erfolg, denn die Inspektoren wurden bald selbst Teil eines Lottersystems, in dem galt: erfülle den Plan, liefere die Einheiten, bezahle die Inspektoren und kümmere dich nicht um die Qualität. Das Ergebnis waren meist falsch sitzende Läufe, schlechte Nieten und Schrauben, verrottete Gewehrschäfte und unpassende Schloßteile. 1853 besaß die zaristische Armee nur die Hälfte der benötigten Musketen. Nicht besser war es um den Ausbildungsstand ihrer Soldaten bestellt (generelle Dienstzeit 25 Jahre). Das Gewehr diente eher als Vorführgerät und wurde nur für Paraden aufpoliert, da die Männer das Fett aus eigener Tasche bezahlen mussten. Munition war teuer, da sie im damaligen Russland nicht in genügender Menge produziert werden konnte. Für Schießübungen wurden hauptsächlich Tonkugeln verwendet, die jedoch bald die Läufe ruinierten. Auch die Offiziere kümmerten sich nicht sonderlich besser um ihre Waffen. Das Kriegsministerium befahl daher, lieber Pistolen anstatt von Revolvern auszugeben. Die Waffenschmiede der Armee wiederum hatten weder die Ausbildung noch das geeignete Werkzeug; mit denselben Gerätschaften, die sie zur Gewehrreparatur verwendeten, mussten sie beispielsweise Pferde beschlagen oder Räder wieder festmachen.

Angesichts all dieser Unzulänglichkeiten gelangten die russischen Strategen schließlich zur Ansicht, dass der Kampf Mann gegen Mann und die Moral wichtiger waren. Dem Bajonett kam in diesen Überlegungen daher eine besondere Bedeutung zu. „Die Gewehrkugel ist ein Dummkopf, aber das Bajonett ist ein braver Kerl“, meinte Feldmarschall Suworow, da sein Einsatz in der Schlacht seiner Meinung nach sicherer sei. Gewehre schwächten hingegen Entschlusskraft und Kampfgeist, es sei daher ein Fehler, von Vorder- auf Hinterlader zu wechseln. Dabei werde bloß eine Menge Munition verschwendet. Während in anderen Armeen die modernen Hinterlader immer mehr an Bedeutung gewannen, wurde der russische Soldat in dieser Hinsicht einem rigorosen Sparprogramm unterworfen.

Einen guten Überblick gibt auch die Enzyklopädie der Russlanddeutschen. Auch hier Auszüge, das Losverfahren fand auch bei Gottfried Anwendung:

WEHRPFLICHT IM RUSSISCHEN REICH (1874-1917),historisch gewachsene und später durch entsprechende Gesetzesakte bekräftigte Verpflichtung der Bürger, in den Streitkräften ihres Landes Wehrdienst zu leisten.  Die seit Mitte des 18. Jahrhunderts in großer Zahl in Russland siedelnden deutschen Kolonisten waren aufgrund des Manifests Katharinas II. vom 22. Juli 1763 vom Kriegsdienst und entsprechend auch von der Wehrpflicht befreit. Dieses Privileg bestand bis Anfang der 1870er Jahre über hundert Jahre lang fort.

Am 1. Januar 1874 wurde in Russland die Wehrpflicht nach dem Prinzip eines individuellen Pflichtdienstes aller Staatsbürger, d.h. die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Nachdem sie drei Jahre zuvor ihren Sonderstatus und die mit diesem verbundenen Privilegien verloren hatten und allen anderen im Russischen Reich lebenden „Siedler-Eigentümern“ gleichgestellt worden waren, unterlagen nun auch die Kolonisten der Einberufung zum Wehrdienst.

Das Gesetz über die Wehrpflicht von 1874 übernahm das bereits zuvor praktizierte System des „Losverfahrens“, das Anwendung fand, wenn die Zahl der Wehrpflichtigen die Zahl der tatsächlich zum Wehrdienst Eingezogenen überstieg, schaffte aber die Möglichkeit ab, sich vom Wehrdienst freizukaufen oder einen Stellvertreter zu schicken (die einzige Ausnahme stellte die Möglichkeit dar, den Wehrdienst von einem Bruder oder Cousin ableisten zu lassen). Das Einberufungsalter lag bei 21 Jahren. Die Gesamtdauer des Dienstes betrug bei den Landstreitkräften 15 Jahre, die sich in eine sechsjährige aktive Dienstzeit und neun Jahre in der Reserve unterteilten. Bei der Marine betrug die Gesamtdauer des Dienstes zehn Jahre, davon sieben Jahre im aktiven Dienst und drei Jahre in der Reserve. In späteren Jahren wurde die Dauer des aktiven Dienstes auf fünf (1876), vier (1878) und nach dem Russisch-Japanischen Krieg von 1904/05 auf drei Jahre abgesenkt, um die Zahl der Reservisten zu erhöhen, die eine militärische Grundausbildung durchlaufen hatten.

Nach dem Gesetz von 1874 (bzw. späteren Neufassungen des Gesetzes) wurden die jungen Männer nur dann zum Wehrdienst eingezogen, wenn ihre Familien über mehrere Arbeitskräfte verfügten. Jedes Jahr wurden fast 54% der jungen Männer von der Ableistung des aktiven Dienstes befreit, in den meisten Fällen aus familiären Gründen. Bis zu 6% der Rekruten wurden wegen „Untauglichkeit“ oder aus gesundheitlichen Gründen zurückgestellt.

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Angesichts der vergleichsweise geringen Einberufungszahlen fanden sich die Kolonisten recht schnell mit der Wehrpflicht ab: “Mit der Zeit wurde der Wehrdienst für die Kolonisten zu einer  gewöhnlichen Sache, und beim Lesen der Briefe, in denen die Emigranten die schwierigen Lebensumstände in der Neuen Welt beschrieben, erschien der Militärdienst als das kleinere Übel“, bemerkte einer der deutschen Rekruten jener Jahre.

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Bis zum Russisch-Japanischen Krieg von 1904–05 wurden deutsche Reservisten nie zum tatsächlichen Kriegsdienst eingezogen. Während des Russisch-Türkischen Kriegs von 1877/78 hatte es noch keine deutschen Reservisten gegeben, da zu diesem Zeitpunkt noch kein einziger Kolonist vollständig seine Dienstzeit abgeleistet hatte. In den folgenden Jahren (bis 1904) hatten die den Reihen der Kolonisten entstammenden Reservisten keine besonderen Verpflichtungen zu erfüllen, da sie ausgesprochen selten zu militärischen Übungen einberufen wurden, die zudem nicht lange dauerten.

Nach ihrer Demobilisierung kehrten die Soldaten mit allen Ehren in ihre Dörfer zurück. Durch den Dienst in der Armee und den damit verbundenen Kontakt zu Angehörigen anderer Völker Russlands konnten sie in der Regel ihren Horizont erweitern und hoben sich positiv von ihren Dorfnachbarn ab. So berichteten Kolonisten beispielsweise, dass die von der Armee zurückgekehrten Männer „in den Versammlungen die Alten und jene, die nicht in der Armee gedient hatten, in den Hintergrund drängten“. Dank des Dienstes in der Armee lernten die Deutschen die russische Sprache, lebten nicht mehr abgeschottet von anderen Völkern in ihren angestammten Siedlungsgebieten und konnten Verbindungen zu ihren russischen und sonstigen Nachbarn aufbauen und festigen.

In den ersten dreißig Jahren ihres Bestehens hatte die allgemeine Wehrpflicht für die deutsche Bevölkerung vergleichsweise glimpfliche Folgen und wirkte sich kaum negativ auf ihre Lebensweise aus. Das sollte sich allerdings mit Ausbruch des Russisch-Japanischen Krieges schlagartig ändern, als erstmals in größerem Umfang Reservisten mobilisiert wurden, wovon auch Zehntausende Kolonisten betroffen waren. Die Mobilisierung von bis zu 25% der männlichen Dorfbevölkerung versetzte sowohl der Wirtschaft als auch allen anderen Lebensbereichen der deutschen Kolonien einen schweren Schlag. Berichten der örtlichen Beamten zufolge „waren einige Familien nicht einmal in der Lage auszusäen und mussten ihr Land verpachten“. Die Semstwo-Verwaltungen berichteten, dass der Krieg die Kolonisten in Aufruhr versetzte, die nicht nur Angst um ihre Söhne, Brüder und Väter hatten, sondern angesichts des Mangels an männlicher Arbeitskraft auch erhebliche ökonomische Schwierigkeiten fürchteten.

Für eine entschieden ablehnende Haltung zum Krieg sorgten unter den Deutschen die von der Front eingehenden Briefe deutscher Soldaten, in denen diese berichteten, dass sie schlecht ausgerüstet und schlecht ernährt würden, hungern und Gras fressen müssten, unter freiem Himmel schliefen und an zahlreichen Erkrankungen litten. Für Unmut sorgte zudem auch der Umstand, dass die auf dem Schlachtfeld Gefallenen ohne entsprechende religiöse Rituale beerdigt wurden.

Die traditionell abgeschottet von ihrer Umgebung lebenden Kolonisten, die vor allem ihrem Grund und Boden und der friedfertigen landwirtschaftlichen Arbeit verbunden waren, konnten nicht verstehen, warum der Zar ihren Söhnen und Brüdern ungekannte Schwierigkeiten und Entbehrungen abverlangte. Die zunehmende Ablehnung dieser vom Staat verfolgten Politik verschaffte sich in unterschiedlichen Formen Ausdruck. So führte die Angst vor dem Krieg, mit dem sie nach eigener Einschätzung nicht das geringste zu tun hatten, zu einem Anwachsen des Emigrantenstroms, wobei viele der betroffenen Personen illegal ausreisten.

Viele Kolonisten, die sich in der Vergangenheit nie für die Frage ihrer Staatsangehörigkeit interessiert hatten, begannen nun, auf ihre deutsche Staatsangehörigkeit zu verweisen und sich für ihre Rückkehr in die „historische Heimat“ einzusetzen, um dem Krieg zu entgehen. Dass dieser bei den Kolonisten plötzlich aufflammende „reichsdeutsche Patriotismus“ letztlich nur vorgeschoben war, zeigt die „Geographie“ der Emigration: Sobald sie die Grenzen des Russischen Reiches verlassen hatten, führte die Suche nach besseren Lebensumständen die überwiegende Mehrheit der Russlanddeutschen nicht etwa nach Deutschland, sondern nach Amerika.

Nach dem Russisch-Japanischen Krieg wurden infolge der erheblichen Vergrößerung der Streitkräfte deutlich mehr Deutsche mobilisiert, was ihrer Wirtschaft und ihrer traditionellen Lebensweise einen immer größeren Schaden zufügte. Das galt für ganz Russland. Die undurchdachte Politik in militärischen Fragen führte zu einem Autoritätsverlust der Armee und des Wehrdienstes und zu einer Zunahme der Versuche russischer Bürger unterschiedlicher Nationalität, sich der Einberufung zu entziehen. Nichtsdestotrotz schrieb die Zeitschrift „Wojennyj Sbornik“ im Jahr 1915: „Mit der Vergrößerung der Streitkräfte und der allmählichen Verkürzung der Dauer des aktiven Wehrdienstes stieg auch die Zahl der Rekruten, aber längst nicht proportional zum Bevölkerungswachstum. Der Anstieg der Zahl des Kontingents lag anderthalb Mal über dem natürlichen Bevölkerungswachstum“.
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