Auguste Adameit, die älteste der Adameit Kinder, hat einiges aufgezeichnet. Hier Ihre Erzählung:
Hannover, den 14. Februar 1983
Soweit ich mich noch entsinnen kann an unsere Großeltern, möchte ich hier aufschreiben:
Unsere Großmutter von Vaterseite hieß Charlotte Adameit. Sie wurde am 2. April 18XX in der Rominter Heide, Kreis Goldap, Ostpreußen, geboren. Ihre Eltern hießen Stiggottat. Der Vater war ein Facharbeiter an Holzbearbeitungen. Zu der Zeit wurden von Russland Leute gesucht, die sich für Holzarbeit interessierten. Als unsere Großmutter die Schulzeit hinter sich hatte (sie hatte auch noch eine jüngere Schwester Hanna), sind ihre Eltern mit den beiden Mädchen nach Russland gegangen. Der Vater arbeitete dort in den Wäldern. Unsere Großmutter fand dort gute Stellen bei reichen Russen, wo sie als Kindermädchen arbeitete. Hauptsächlich sollten die Kinder die deutsche Sprache von ihr lernen. Es waren gute Stellen, sie hatte guten Kontakt mit den Familien, sodass ihr diese Arbeit sehr viel Freude bereitete. Dabei hat sie auch die russische Sprache sehr gut gelernt. Auf ihrer letzten Stelle hatte sie sich mit einem jungen Mann verlobt, der auf der selben Stelle Geschäftsführer war. Er wurde dann der Vater unseres Vaters, noch bevor sie geheiratet hatten. Er hatte ein Magenleiden und wollte das erst ausheilen, bevor sie heiraten wollten. Die Oma war in der Zeit mit ihrem Kind bei ihren Eltern. Auf dem Gut war auch ein Gärtner, der sie gerne wollte, sie aber mochte ihn nicht. So versuchte er, sich an ihr zu rächen und erzählte ihrem Verlobten, dass er ein Verhältnis mit ihr gehabt hätte. Der Verlobte machte ihr dann Vorwürfe, und sie konnte ihm das nicht verzeihen. Das wollte ich noch erwähnen: Der Gärtner hatte rotes Haar, wie Oma erzählte. Da wollten wir das schon glauben, weil niemand von uns etwas Ähnliches geerbt hat. Der Gärtner hatte ihr gleich gesagt: „Mich willst du nicht, ich werde dafür sorgen, dass der andere dich nicht nimmt!“ So kam es dann, dass sie sich trennten. Oma verheiratete sich dann bald mit Gottlieb Tepper, der Landwirt war. Sie musste es aber schwer bereuen, dass sie so voreilig war. Ihr früherer Verlobter sorgte für sein Kind, und langsam verloren sie sich aus den Augen. Vater ist hauptsächlich bei seinen Großeltern gewesen, solange sie lebten. Unter seinen Halbgeschwistern sind Amalie Tepper, die im Kindesalter starb, Albert Tepper, der im Krieg 1914 vermisst wurde, Heinrich Tepper und eine Schwester, Adele Tepper, verheiratete Fleischmann.
Die Großeltern hatten eine Landwirtschaft. Oma erzählte, sie verstand nichts von Landwirtschaft; es fiel ihr anfangs sehr schwer, doch sie wurde noch eine tüchtige Bäuerin. Damals fanden auch schon Versammlungen statt. Ihre Mutter gehörte auch schon dazu. Als sie unserer Oma als junges Mädchen davon erzählte, lachte sie darüber und meinte, das wäre nichts für sie, sie war sehr lebenslustig. Doch später als junge Frau ging sie auch zu den Stunden. Sie hat sich auch bekehrt und wurde ein glückliches Gotteskind. Sie hatte eine gute Stimme und hat auch sehr gerne gesungen. Opa ging nur selten mit zur Versammlung.
Vater hat sich am 2. Februar 1907 verheiratet mit Wilhelmine Grünwald. Sie war eine Tochter von Ludwig und Juliane Grünwald. Sie besaßen auch eine Landwirtschaft und eine Mühle. Ich kann mich noch entsinnen, dass immer viele Leute kamen, um Flachs zu schlagen (so nannten sie das). Weil zu der Zeit viel Flachs angebaut wurde, wurde besonders von Seilen viel gemacht, aber auch von anderen Dingen. Getrieben wurde die Presse mit einem Pferd. Die Mutter hatte Geschwister: Pauline Grünwald, verheiratete Heise; August Grünwald, verheiratet mit Pauline, geb. Krüger; die beiden jüngsten Schwestern Lydia und Natalie Grünwald. Die Eltern der Mutter und auch die beiden jüngsten Schwestern wurden im Krieg 1914 nach Sibirien vertrieben. Als dort die große Hungersnot war, sind auch sie ums Leben gekommen.
Damals sind viele nach Amerika gefahren, um Geld zu verdienen. So ist auch unser Vater noch 1904 nach Amerika gefahren und kam 1910 oder 1911 zurück. Die Eltern kauften sich dann ein Grundstück. Weil sie aber noch Schulden auf dem Grundstück hatten, entschloss Vater sich, noch einmal nach Amerika zu fahren. Onkel Konrad fuhr diesmal auch mit. Es war 1914, kurz vor dem Weltkrieg. Wir waren zu der Zeit in der Ukraine. Die Mutter war mit uns Kindern, Auguste, Albert und Julius. Die Deutschen wurden zum größten Teil damals nach Sibirien verschickt. Wir kamen damals mit unserer Oma Tepper zusammen, und weil sie sehr gut Russisch sprechen konnte, hat sie mit den Offizieren verhandelt und es fertiggebracht, dass wir Russen seien. So durften wir dort bleiben. So waren wir damals mit der Oma, Tante Adele und Mutter in Russland. Mutter und Tante Adele haben sich verstärkt gehalten, wir Kinder fielen nicht auf, und Oma konnte jede Rolle als Russin spielen. Es dauerte aber nur ein paar Tage, die Russen zogen sehr eilig durch und dann kamen die Deutschen. Wir waren nicht lange dort. So nahmen wir die Gelegenheit wahr und ließen uns nach Ostpreußen verschicken. Wir kamen dann zuerst nach Königsberg in ein Sammellager. Dort waren viele deutsche Flüchtlinge. Sie wurden dann nach verschiedenen Stellen angefordert, meistens auf Gütern als Landarbeiter. Mutter kam auch mit uns drei Kindern auf ein Gut im Kreis Rastenburg. Oma Tepper war auch dort mit Tante Adele und deren kleiner Tochter Charlotte. Onkel Heinrich war es gelungen, vom Flüchtlingszug nach Sibirien zu entkommen. Er fand sich dann auch bei Oma ein. Mutter hatte mit uns Dreien ein Zimmer und eine Kammer und musste jeden Tag arbeiten gehen, um uns zu ernähren. Soweit ich mich erinnern kann, haben wir dort vier Jahre gewohnt. Vater war die ganze Zeit in Amerika. Durch das Rote Kreuz gelang es ihm, die Anschrift von Mutter zu bekommen. Er hat ihr dann gleich Pakete geschickt. Vater wollte, dass Mutter mit uns Kindern auch nach Amerika kommen sollte, aber Mutter wollte es nicht. So ist Vater 1920 nach Ostpreussen gekommen. Vater hatte gespartes Geld, so haben die Eltern in Schülzen, Kreis Rastenburg, ein Grundstück gekauft. Vater hatte es aber immer bedauert, dass er nicht in Amerika geblieben ist. Bald kam dann auch die Inflation und es war nicht mehr möglich, dass wir auswandern konnten.
Die Großeltern sind dann zu uns gekommen.
Charlotte hatte auch einen Nachruf in der “Evangeliumsposaune”, der internen Zeitung der Gemeinde Gottes.